Sonntag, 1. April 2018

Tsé Bit' A'í

SPQR

In der Erinnerung bleibt der Eindruck, man habe auf Tiepolos Bild von der Kreuztragung entgegen aller Vernunft ein Schiff erblickt, und alle, die zu sehen sind, Jesus selbst, seine Begleiter, die Kriegsknechte, die Pferde, seien dem Schiff entstiegen. Wie aber hätte das sein können, welches Gewässer sollte das Schiff in der unmittelbaren Nähe des Kalvarienbergs befahren haben? Ohne Wasser unterm Kiel aber, das müßte ein Geisterschiff sein. Man sucht das Bild hervor, betrachtet es erneut, kein Schiff, aber der Kalvarienberg selbst erscheint als versteinerte Arche, Tsé Bit' A'í, Ship Rock in der Sprache der Christen. Auf der linken Seite in Fahrtrichtung ein weißes Bei- oder Rettungsboot moderner Bauart mit einer nicht gleich zu entziffernden Aufschrift: S …, vielleicht Sloop John B? Nein, es ist kein Schiff, keine Schaluppe, sondern eine am Felsen angebrachte großflächige Standarte mit der Aufschrift SPQR, Ausweis der staatlichen Berechtigung, Kreuzigungen aller Art sachgerecht vorzunehmen, licentia crucifigere. Was bleibt - und daran hält man fest - ist die Möglichkeit, ursprünglich in einem unbewachten Augenblick ein anderes Bild gesehen zu haben, ein Bild, das gerade der Jäger Gracchus mit seinem trostlosen Kahn durchquert, gelbbraune Segeltücher zwischen den Hölzern kreuz und quer gezogen, Flickarbeit, keinem Windstoß gewachsen, oder, eher noch, der anlandende, von einer Schiffahrtsgesellschaft übernommene und seither zweckentfremdet eingesetzte, zu jeder Mission bereite dreistöckige Kasten des Noah, Ararat und Kalvarienberg verwechselt.

Keine Kommentare: